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Historische Bahnbusse

Warum Busse in einem Eisenbahnverein? Nun, wer Lokalbahn sagt, muss auch Bahnbus sagen! Diese beiden Spielarten des Bundesbahn-Nahverkehrs sind in der Geschichte eng miteinander verbunden. So wies das in vielen westdeutschen Kursbuchspalten vorkommende und in den siebziger Jahren grafisch schon aus der Zeit gefallene Bus Symbol mit dem „Schnauzenbus“ auf zusätzliche Buskurse neben dem oft dünnen Schienennahverkehr hin.

Derzeit befinden sich zwei Originalfahrzeuge in unserem Bestand, die bei Verfügbarkeit auch angemietet werden können. Wir freuen uns auf und beraten Sie gerne!

DB 23–403
DB 23–474

Kässbohrer Setra S 140 ES (derzeit abgestellt)
Kässbohrer Setra S 215 UL

DB 23–403DB 23–474

Bild: Die historische Bahnbus-Flotte. Für weitere Informationen einfach auf das jeweilige Fahrzeug klicken.



Geschichte

Auf dem Schul- oder Arbeitsweg, zum Einkaufen, zum Arzt oder zum Amt in die nächste Stadt oder einfach als erste oder letzte Etappe einer Zugreise: Bis in die achtziger Jahre gehörten die roten Bahnbusse in fast allen ländlichen Regionen zum alltäglichen Bild der alten Bundesrepublik.

Bahnbus statt Lokalbahn
Während des Wirtschaftswunders der fünfziger Jahre begann die flächendeckende Automobilisierung und der forcierte Straßenbau in der Bundesrepublik. Dadurch sanken die Fahrgastzahlen vor allem auf den nach dem Zweiten Weltkrieg technisch veralteten und maroden Lokalbahnen dramatisch. Einige, wie sie vergleichsweise langen Strecken Mainburg – Wolnzach Bahnhof/Freising, konnten durch den Einsatz moderner Schienenbusse der Baureihe VT 95 rationalisiert und vorerst noch gerettet werden, doch als erste Strecke Bayerns, die nicht durch die deutsche Teilung unterbrochen wurde, stellte die Bahn den Personenverkehr auf der Strecke Wolnzach Bahnhof – Geisenfeld dauerhaft auf sogenannte Bahnbusse auf der Straße um. Dafür wurde in Rohrbach eigens eine Bahnbusverkehrsstelle „Bvst Wolnzach Bf“ gegründet und ein erster Bahnbus vom Typ FAUN O7 V mit Frontmotor und Rathgeber-Aufbau im Geisenfelder Lokschuppen unterhalten.

Nach kurzer Zeit übernahm dieser Bahnbus auch eine zusätzliche Fahrt zwischen Wolnzach Bahnhof und Wolnzach Markt. Schrittweise erfolgte auch auf den Mainburger Lokalbahnen die sogenannte „Angebotsumstellung“ auf deutlich günstigere Bahnbusse auf der Straße, erst nur an Sonn- und Feiertagen und schließlich ab Sommer 1969 im Gesamtverkehr. Die flächendeckende Schließung der örtlichen Dorfschulen in den sechziger Jahren brachte den Bahnbussen weitere wichtige Aufgaben im Schülerverkehr.

Bild: Auch 36 Jahre nach Einstellung des planmäßigen Reisezugverkehrs fuhr die Deutsche Bundesbahn (DB) die Stadt Geisenfeld noch mehrmals werktäglich ab Wolnzach Bahnhof an: Mit einem Bahnbus. Am Sonntag, 14. Oktober 1989 stand dieser Setra S 140 ES des Baujahrs 1984 noch mit seinem Behördenkennzeichen DB 23-404 (und falsch eingestellter Liniennummer) am ehemaligen Geisenfelder Bahnhof abgestellt.

Fahrplanausschnitt der Bahnbus-Linien 9314 und 9315 vom Sommer 1984. Sie verkehrten als Ersatz für die eingestellten Personenzüge nach Mainburg bzw. Geisenfeld, wobei der Verkehr nach Mainburg seit kurzem überwiegend durch die Linie 9311 aus Freising bestritten wurde. Zusätzlich gab es zwischen Wolnzach Bahnhof und Wolnzach Markt noch Fahrten der Linie 9201 Petershausen – Ingolstadt. Die vierstelligen Liniennummern, die sich mit den ersten Ziffern an den dreistelligen Kursbuchnummern der Bahnstrecken orientierten, waren 1972 eingeführt worden.

Ebenfalls am 14. Oktober 1989 konnte auch ein fast neuer Setra S 215 UL in Geisenfeld festgehalten werden. Er trägt eine großflächige Bierwerbung und kann als Fahrzeug von 1988 bereits eine digitale Zielanzeige vorweisen, die jedoch schlechter ablesbar war.

Eilzüge und Bahnbusse
Mit der Reduzierung des Zugangebot in Reichertshausen und Paindorf sowie der Schließung der Bahnhaltepunkte Oberstimm (1978), Hög (1985) und Walkersbach (1983) im Rahmen des „eilzugmäßigen Fahrens“ gehörten ab den siebziger Jahren zunehmend auch Kurse auf der Linie Petershausen – Ingolstadt (– Treuchtlingen) zu den Aufgaben der roten Bahnbusse.

Bahnbus-Streckennetz
Durch den wirtschaftlichen Zwang von der Schiene auf die Straße zu gehen, war so Schritt für Schritt ein durchaus beachtliches Netz an Bundesbahn-Buslinien gewachsen. Ihr bis auf wenige Ausnahmen direkter Zusammenhang mit (ehemaligen) Schienenstrecken wird in der Karte besonders deutlich:

Zum Vergrößern der Ansicht bitte auf die Karte klicken. Abbildung unten: Zeitgenössische Reklame aus einem DB-Taschenfahrplan.

Kässbohrer-Busse
In vielen Regionen Deutschlands war der Fuhrpark der Deutschen Bundesbahn seit den siebziger Jahren vor allem von den standardisierten Typen Mercedes-Benz O 307 und MAN SÜ 240 geprägt. Bei den südbayerischen Bahnbusbetrieben waren hingegen die Überlandbusse des Ulmer Herstellers Kässbohrer weit verbreitet, zuletzt insbesondere die beiden teilstandardisierten Typen Setra S 140 ES (Baujahre 1974–84) und Setra S 215 UL (Baujahre 1984–94).

Je ein Fahrzeug dieser beiden für die Region wichtigen Bahnbus-Typen der achtziger Jahre befindet sich heute in der historischen Sammlung unseres Vereins:

DB 23–403
DB 23–474

Kässbohrer Setra S 140 ES (derzeit abgestellt)
Kässbohrer Setra S 215 UL

Ende und Privatisierung
Um die Parallelstrukturen der bundeseigenen Omnibusbetriebe von Bundesbahn und Bundespost aufzulösen und künftig günstiger nach marktwirtschaftlichen Regeln betreiben zu können, fand ab 1976 eine schrittweise Umwandlung der Bahnbusbetriebe in privatrechtliche regionale Gesellschaften statt. Eine der ersten war hierbei die Regionalverkehr Oberbayern GmbH (RVO) in München, die ab 1983 auch die Linien zwischen Mainburg, Freising und Moosburg mit ihren nun orange-grünen Bussen betrieb. Der Marke Kässbohrer blieb die RVO treu. Die bisher zentral für den Bereich der früheren Hallertauer Lokalbahnen zuständige Bahnbusverkehrsstelle (Bvst) Mainburg wurde damit aufgelöst und weitere Linien der noch direkt der DB unterstellten Bvst Ingolstadt, Landshut und Regensburg zugeschlagen. Letztere beiden gingen erst 1989 in der Regionalbus Ostbayern GmbH (RBO) auf, die Bvst Ingolstadt in der Regionalbus Augsburg GmbH (RBA).

Erst damit endete rund ein Jahrhundert nach Eröffnung der Hallertauer Lokalbahnen die Zuständigkeit einer Eisenbahngesellschaft für den bereits seit 20 Jahren vollständig auf der Straße abgewickelten Linienverkehr!

Durch den Verkauf der RBA an ein Konsortium privater und kommunaler Unternehmen 1992, die Integration des Landkreises Freising in den MVV sowie Abgabe oder Einstellung von Linienstrecken, ist das zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn noch zusammenhängende und in einem bundesweiten (!) DB-Omnibuskursbuch verzeichnete Hallertauer Liniennetz in dieser Form heute verschwunden.



Seite zuletzt geändert am 1. Juli 2020